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3 Minuten Lesezeit (520 Wörter)

"Allein unter Ausländern"

lekker zu klimmen

Die Kletterhalle „Yellowstone" in Roosendaal war an diesem Samstagabend beinahe menschenleer und ich boulderte eine ganze Weile alleine, ehe ich Gesellschaft bekam. Ein Holländer mit kurzgeschorenem Haar gesellte sich zu mir und ohne ein Wort miteinander zu wechseln, begannen wir gemeinsam diesselben Boulder zu klettern. Es stellte sich rasch heraus, dass wir auf demselben Niveau boulderten und wir pushten uns immer mehr an unsere Leistungsgrenzen.

Wir kamen ins Gespräch und ich erzählte ihm, dass ich den Aufbau einer Chemieanlage im nahen Moerdijk leitete. Der Holländer sah mich mit freundlichem Lächeln an. Dann fragte er unvermittelt: „ Bist du der Horst?"

Ich war völlig perplex. Da traf ich 1200 km von Zuhause auf einen wildfremden Menschen und der kannte meinen Namen. Das Rätsel löste sich alsbald. Kollegen aus seiner Firma hatten den Auftrag zur elektrischen Verkabelung dieser Anlage und die hatten wohl geplaudert.

Es war dies der Beginn einer großartigen Freundschaft. Beinahe zwei Jahre lang nutzten wir jede freie Minute um gemeinsam zu klettern. Teilweise wohnte ich wochenlang beim ihm und seiner Partnerin Jetske. Nur weil ich die falschen Schlüssel für unser angemietetes Haus mithatte und ihn bat, eine Nacht bei ihnen übernachten zu dürfen.

Harry drückte mir seinen Wohnungsschlüssel in die Hand.

„Du kannst bleiben solange du willst"

Die herzliche Gastfreundschaft meiner holländischen Freunde ließ mich die oftmals wochenlange Abwesenheit von Zuhause leichter ertragen und Harry machte mich mit ebenfalls kletternden Freunden bekannt. Gemeinsam gingen wir mehrmals in der Woche in die Kletterhallen der umliegenden Städte und von Anfang an gehörte ich zur Clique. Oftmals war ich richtig verwundert mit welcher Offenheit und Unvoreingenommenheit die Holländer an die Dinge herangingen.

Am Wochenende fuhren wir meist nach Belgien um dort „lekker zu klimmen". An richtigem Fels und nicht am Plastik wie unter der Woche. Freyr war bei uns damals noch weitgehend unbekannt. Dabei bot es weit über tausend Routen in allerbestem Kalk und bis einhundertzwanzig Meter Wandhöhe.

Das Einzige was ich bis dahin von belgischen Klettergebieten wusste war, dass man mutig sein musste um dort irgendwo hochzukommen. Erleichtert stellte ich bei meinen ersten Vorstiegen fest, dass die heimische Arena eine gute Schule dafür war und ich bei den vorherrschenden Hakenabständen nicht wirklich in Schwierigkeiten kam.

An eine Route erinnere ich mich besonders gut.

„Nina Hagen".

Eine echt anspruchsvolle 7a+ mit kleinen, seichten Griffdellen und diesmal wirklich weiten Hakenabständen, die auch mich das Fürchten lehrten. Mit einer Begehung dieser Route konnte man in Freyr richtig punkten. Vor der hatten auch weit stärkere Kletterer, als wir es waren, großen Respekt. Harry und ich setzten es uns in den Kopf sie zu klettern und nach einigen Versuchen und ziemlich weiten Stürzen kriegten wir auch beide tatsächlich den wackeligen Dynamo am Ende Crux hin und stiegen die Route durch. Voller Stolz zogen wir abends dann im „Le Chamonix", einer der genialsten europäischen Kletterkneipen, ein und belohnten uns mit einer Riesenportion Fritten.

Ich denke oft an diese Zeit zurück. Daran wie freundlich ich als Ausländer aufgenommen wurde und daran wie wohl ich mich in den Niederlanden fühlte und wie mich die neugewonnenen Freundschaften das Heimweh leichter ertragen ließen.

Allein unter Ausländern zu sein war für mich vor mehr als zwanzig Jahren eine völlig neue Erfahrung.

Ich hatte wirklich Glück…

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