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4 Minuten Lesezeit (729 Wörter)

"Raufhandel"

Raufhandel

Der grüne Griff war verdammt weit oben. Total konzentriert fixierte ich ihn mit entschlossenem Auge, richtete mich mit dem rechten Fuß auf dem glatten Volume auf und – rutschte ab. Ich knallte mit dem Kopf gegen die Wand und der Rand meiner Brille drückte sich tief in meine Augenbraue. Das Blut kam binnen Sekunden.

Völlig benommen torkelte ich wie Vitali Klitschko, nachdem er eine krachende Rechte von Anthony Joshua kassiert hatte, durch die Halle in Richtung Rezeption. Auf halbem Wege begegnete ich B., der dort arbeitete.

„Was ist denn mit dir passiert?" fragte er mich besorgt, während ich mir ein Blatt Küchenrolle gegen die Schläfe hielt, das mir Freunde in die Hand gedrückt hatten.

Meine Geschichte erschien mir in dem Moment einfach zu lächerlich und so tischte ich ihm eine andere Version auf.

„Ach", sagte ich betont cool. „Ein paar so junge Kröten dachten sie könnten sich vordrängeln. Aber nicht mit mir. Ich habe ihnen gleich einmal ein paar Ordentliche durchgezogen."

„Und sie haben zurückgehauen", stellte B. fest.

Er setzte eine bekümmerte Miene auf.

„Die Jungen Wilden haben einfach keinen Respekt mehr vorm Alter. Und dann sind auch gleich so brutal".

Er klopfte mir auf die Schulter.

„Aber erstmal verbinden wir dich!".

B. merkte natürlich, dass die Story ein Scherz war, aber Raufhandel haben in der alpinen Geschichte tatsächlich immer schon eine gewisse Rolle gespielt.

Da erinnere ich mich gleich einmal an die Magnesiadiskussionen Ende der siebziger Jahre. Weißes Pulver hatte damals frühestens ab dem siebten Grad seine Duldung. Wer bereits im sechsten Grad oder sogar noch darunter die Griffe weiß beschmierte, hatte gute Chancen eine Tracht Prügel abzukriegen. Sportkletterer waren damals noch eindeutig in der Unterzahl und die Alpinisten waren grobe Gesellen. Die kannten da kein Pardon. Und Verständnis zeigten sie schon gar keines. Im Hochschwab gibt es sogar eine Route namens „Raufhandel". Ich kann mich jetzt zwar nicht mehr an die Hintergründe dieser Namensgebung erinnern, aber es könnte gut und gerne sein, dass sie ihren Ursprung in einer dieser Auseinandersetzungen hatte.

Nachdem sich die Magnesia-Aufregung gelegt hatte, kam schon der nächste Skandal auf die Bildfläche.

Sanierung von Alpinklassikern mittels Bohrhaken!

Nicht nur einmal endeten die hitzigen Diskussionen über dieses Thema in einer handfesten Schlägerei. Da war keine Fraktion bereit auch nur eine Handbreit von ihrem Standpunkt abzuweichen und nach lautstarker Auseinandersetzung in bierseliger Runde ging es raus vor die Schutzhütte.

„Sag das nochmals du..du Sportkletterfuzzi!"

Krach! Die erste Gestreckte landete auf der Nase des Kontrahenten und schon gings rund.

Einer der berühmtesten Raufhandel der Klettergeschichte fand übrigens im Yosemite Valley statt. Während einer besonders emotional geführten Ethikdiskussion (Bachar sägte die von oben gesetzten Bohrhaken der Ron Kauk Route „Punchline" ab),beförderte Mark Chapman die ehrwürdige Kletterikone John Bachar mittels Uppercut in den nicht minder ehrwürdigen Staub des Camp IV´s.

Einer meiner liebsten und langjährigsten Kletterpartner übrigens ist sanft wie ein Lämmchen. Nichts bringt ihn aus seiner Ruhe. Nichts regt ihn auf. Mit einer Ausnahme. Wenn sich jemand bei seinem ins Auge gefasste Routenprojekt vordrängelt, wird er rabiat. Da erkenne ich ihn nicht wieder und man geht ihm am besten weiträumig aus dem Weg.

Eine Begebenheit dazu ist mir da noch in besonderer Erinnerung. Wir hatten in den achtziger Jahren ja die Angewohnheit für eine einzige Route nach Arco zu fahren. Unser Ziel wurde dann eine ganze Woche lang bis aufs Messer projektiert. Da waren wir wie Lignanourlauber, die sich im Morgengrauen mit ihrem Handtuch den Liegestuhl am Strand reservieren. Nur war es bei uns nicht der Strand, sondern wir hasteten in aller Herrgottsfrühe nach Massone und statt mit einem Handtuch markierten wir unseren Besitzanspruch mit unserem Seil, das wir in den ersten Bolt klinkten. Eines Tages – wir waren schon dicht am Durchstieg – machte sich mein Kumpel bereit für einen Vollversuch und schnürte sich gerade die Schuhe, als sich ein anderer Kletterer direkt unter „unserer" Route ins Seil einzubinden begann. Mein Freund F. fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch und näherte sich dem Eindringling mit grimmiger Miene.

„Sportsfreund", sagte er drohend zu ihm, während er ihm mit dem Zeigefinger auf die nackten Brustmuskeln tippte. „Da bin jetzt ich dran und du hast Sendepause! Also verzieh dich – und zwar blitzartig!"

Der blondgelockte, französische Patrick Edlinger Verschnitt verstand zwar kein Wort, aber er merkte sofort, was es geschlagen hatte. Er hatte wohl keine Lust sich auf einen Raufhandel einzulassen und so schleppte er ohne Widerrede seinen Seilsack zur danebenliegenden, exorbitant viel schwierigeren Nachbarroute.

Die onsightete er wenige Minuten später in aufreizend zur Schau gestellter Lässigkeit. Aber da hing mein Kumpel längst schon im Seil.

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